Auch ehrenamtliche Helfer brauchen manchmal Hilfe

Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer wäre die Arbeit der Rostocker Stadtmission nicht möglich. Doch was passiert, wenn die Helfer selbst Hilfe brauchen? Sigrid Matiske arbeitet schon seit acht Jahren beinahe täglich ehrenamtlich im Sozialkaufhaus in Lütten-Klein und kümmert sich um die Bedürfnisse der Kunden. Nun ist sie selbst an einem Punkt angekommen, an dem sie nicht weiterweiß. Ihre Füße wollen nicht so wie sie, doch das Geld für die dringend benötigten orthopädischen Schuhe kann sie nicht alleine aufbringen. Dank des Hilfsfonds „Gaben der Hoffnung“ und den Spenden der zahlreichen Unterstützer kann die Rostocker Stadtmission auch hier helfen.

„Jeder Mensch hat das Recht auf Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“

… heißt es im Leitbild der Rostocker Stadtmission. In Zeiten, in denen die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, scheitert dieses Ideal oftmals schon an den kleinen Dingen, die für so viele von uns selbstverständlich sind. Wenn uns danach ist, gehen wir in den nächsten Laden und kaufen uns einen neuen Pullover, Bücher oder eine Couch. Doch viele Menschen in unserer Gesellschaft haben diese Freiheit nicht, sie drehen jeden Cent zweimal um und können am Ende des Tages dennoch nur das Allernötigste zum Überleben kaufen. Um auch diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, am Leben in unserer Marktwirtschaft teilzuhaben, gibt es die Sozialkaufhäuser der Diakonie, die Dingen, die dem einen vielleicht nicht mehr wertvoll erscheinen, die Chance geben, sich für andere als nützlich zu erweisen. Anstatt Möbel, Elektrogeräte und anderes ausgedientes Inventar einfach zu entsorgen, sollen diese Dinge in den Kaufhäusern ein neues Zuhause finden. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel all jener, die ohnehin nicht so viel haben.

Damit das funktionieren kann, sind die Sozialkaufhäuser zum einen natürlich auf Sachspenden angewiesen. Diese sortieren und räumen sich aber nicht selbst ein, weshalb es zum anderen auch nicht ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer ginge, die hier täglich arbeiten: „Ohne sie würde es an einigen Ecken immer fehlen“, sagt Thomas Ratzlaff, der das Sozialkaufhaus in Lütten-Klein leitet. Viele seiner Mitarbeiter sind schon lange arbeitslos und erhalten durch ihre Aufgaben hier in gewisser Weise ebenfalls eine zweite Chance: „Das ist ein großer Erfahrungsschatz, auf den man zurückgreifen kann, der anderswo vielleicht nicht mehr gewollt wird.“

Sigrid Matiske behält bei den Büchern im Sozialkaufhaus den Durchblick.

Die gelernte Bibliotheksfacharbeiterin Sigrid Matiske zum Beispiel weiß genau, was sie tut, wenn sie die vielen Bücher, die sich im Sozialkaufhaus stapeln, durchsieht und in die Regale einsortiert. Sie hat hier alles im Griff, kennt den Platz eines jeden Buches und kann den Kunden jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen. Nach der Wende arbeitslos geworden, hatte sie seither Schwierigkeiten, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Nur Zuhause rumzusitzen kommt für sie jedoch nicht in Frage und hier, so sagt sie, kann sie wenigstens etwas Sinnvolles tun. Und zu tun gibt es eine Menge.

Die Leute, die ins Sozialkaufhaus kommen, können sich darauf verlassen, dass Sigrid Matiske ihnen gerne bei allen Fragen hilft. Sie gehört inzwischen sozusagen zum Urgestein und bezwingt beinahe täglich das scheinbar nie enden wollende Wirrwarr, dass jeden Tag aufs Neue zwischen den Bücherregalen entsteht. Gerade ist es besonders schlimm, erzählt sie. Erst vorgestern war Büchertag und da herrscht immer der Ausnahmezustand: „Dann kommen die Leute mit Kartons und Taschen und dann wird erst mal eingekauft.“ Kein Wunder, schließlich kosten die Bücher pro Stück an diesen besonderen Tagen nur 20 Cent. Vergleicht man das mit den Preisen im Einzelhandel, so wird schnell deutlich, dass Bücher eigentlich inzwischen zu einem Luxusgut geworden sind.

Im Reich von Frau Matiske wird das geschriebene Wort wieder erschwinglich. Wie wichtig das ist, merkt man eben auch am Ansturm, der hier ganz besonders an Büchertagen herrscht. „Viele Kunden kommen gerne her“, weiß Frau Matiske. Sie findet es schön, wenn die Kunden zufrieden sind, die Arbeit macht ihr sichtlich Spaß. Sollte es mal einen schlechten Tag geben, sagt sie, so ginge dieser auch wieder vorbei. Nur mehr Platz für Bücher wünscht sie sich und dass ab und zu auch mal ein Student ins Sozialkaufhaus kommt, schließlich habe sie in ihrem Sortiment auch einige Bücher, die für das Studium nützlich sein könnten.

Doch auch das tägliches Engagement kann nur so weit gehen, wie es dem Helfer möglich ist. Sigrid Matiske kommt aufgrund körperlicher Probleme immer wieder an ihre Grenzen. Schwer heben, das geht nicht mehr, da müssen dann die Kollegen helfen. Aber das ist gar kein Problem und macht auch die besondere Gemeinschaft hier aus, findet Thomas Ratzlaff: „Die einen machen dies, die anderen etwas anderes. Es ist ein Geben und Nehmen.“ „Jeder macht was er kann“, ergänzt Frau Matiske: „Zusammen ist das ein funktionierendes System.“ Doch es gibt auch Probleme, bei denen ihre Kollegen Frau Matiske nicht helfen können.

Ähnlich wie ihre Kunden, kennt auch sie es, dass dringend benötigte Dinge zu teuer sind, um sie selbst anschaffen zu können. Seit Wochen läuft sie nun schon mit Schuhen im Kaufhaus herum, die ihren kaputten Füßen nicht genug Halt geben, weil sie die dringend benötigten orthopädischen Schuhe nicht alleine bezahlen kann und die Krankenkasse erst in einem Jahr wieder ein neues Rezept bewilligen wird.

„Wenn der Körper nicht so will wie der Plan, hat man Pech“, stellt sie resigniert fest.

Da sie im Sozialkaufhaus den ganzen Tag auf den Beinen ist, um jedem Kundenwunsch gerecht zu werden, hat sie deshalb schon nach wenigen Stunden Schmerzen beim Gehen, was die tägliche Arbeit unnötig erschwert. Das ist natürlich kein Zustand, findet auch Thomas Ratzlaff. Deshalb freut er sich sehr, dass sich die Rostocker Stadtmission mit ihrem Fonds „Gaben der Hoffnung“ dem Problem annimmt. Diesen gibt es schließlich, um Menschen in akuten Notlagen zu helfen und sie aufzufangen, wenn sich sonst keiner für ihre Probleme interessiert. Das gilt natürlich erst recht für die ehrenamtlichen Helfer.

Dank der Spenden können nun die weit über 1000€ teuren orthopädischen Schuhe für Frau Matiske angefertigt werden, damit sie bald wieder ohne Schmerzen laufen kann.

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